Über die Rolle des Kantonsrates
Von 2005 bis 2017 war Susanne Schaffner Mitglied des Solothurner Kantonsrates. Die Kantonsrat-Standpunkte stammen aus dieser Zeit.
Eröffnungsrede der Kantonsratspräsidentin
Die Kantonsverfassung beinhaltet die von den Bürgerinnen und Bürgern abgesegneten Grundregeln unseres demokratischen Systems. Vor 25 Jahren, am 1.1.1988 ist die letzte Totalrevision unserer kantonalen Verfassung in Kraft getreten. Ein paar wenige hier im Saal sind dabei gewesen bei diesem spannenden Prozess. Wer aus diesem Anlass wieder einmal einen Blick in unsere Verfassung wirft, der stellt fest, die Verfassung ist immer noch modern. Verschiedene Verfassungsänderungen haben in der Zwischenzeit zu einer Fortentwicklung geführt, so auch im Zusammenhang mit der Einführung von WoV, womit der Kanton Solothurn Neues noch nicht Erprobtes gewagt hat. Das Volk hat neue Instrumente erhalten und auch wir Kantonsrätinnen und Kantonsräte haben dank der neuen Verfassung und dank verschiedenen Gesetzesänderungen unsere Position gegenüber der Regierung gestärkt. Die Aufgabenverteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist aber weiterhin die gleiche geblieben.
Trotzdem, eine gewisse Unzufriedenheit des Parlaments mit seiner Rolle ist in der Vergangenheit Thema gewesen und ist es auch heute noch, wie die Diskussionen in der Spezialkommission zeigen. Obwohl diese Rolle klar definiert ist, klare Instrumente bestehen, und gemäss Verfassung der Kantonsrat die Aufgaben Gesetzgebung, Budgethoheit und Oberaufsicht über Regierung und Verwaltung mit aller Unterstützung auch wahrnehmen kann.
Was man heute fordert - umfassende Einsichts- Auskunfts- und Mitwirkungsbefugnisse - hat man bereits 1975 hier im Parlament verlangt: Eine Stärkung des Kantonsrats gegenüber Exekutive und Verwaltung, die Verbesserung der Kontrollfunktionen, die Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten, Stärkung und Aufwertung des Kantonsrates und, was besonders interessant ist auch für die heutige Situation, dass die Öffentlichkeit verstärkt Interesse und Verständnis für die Ratsarbeit zeigt. Man hat besser informiert sein und früher in Gesetzgebung und Planung eingreifen können wollen. Resultat, die Sachkommissionen sind geschaffen worden und gewisse Informationsrechte wurden eingeführt. Mit dem Inkrafttreten der neuen, totalrevidierten Verfassung 1988 hat man dann die Grundlage für das Kantonsratsgesetz von 1989 geschaffen. Immer noch ist moniert worden, die Kontrollfunktionen des Parlaments seien noch nicht genügend gestärkt worden. Abhilfe hat man sich dann mit der Einführung vom Ratssekretär, den Parlamentsdiensten, der Erweiterung der Oberaufsicht durch GPK und der finanziellen Unterstützung der Fraktionen erhofft. 10 Jahre später sind erneut Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Parlament zur Diskussion gestanden. Und jetzt nochmals 10 Jahre später ist jetzt die Spezialkommission wieder daran, die Thematik zu diskutieren.
Prof. Kurt Eichenberger, hat bereits 1965 zur Zeitnot der Parlamentarier auch die Sachkunde- und Bewertungsnot gezählt, im Sinne, dass der Parlamentarier (die Frauen waren ja damals noch nicht existent) vor lauter Informationen nicht entscheiden könne und sich darum auf die Verwaltung verlassen müsse. Eichenberger wird bis heute im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit des Parlaments zitiert. Mit WoV hat sich jetzt der Begriff gewandelt, was früher mit einfachen Deutschen Wörtern ausgeführt worden ist, ist heute Englisch und heisst „information overload“. Wir wissen gar nicht mehr, wie wir all die Informationen, die wir verlangen bewältigen sollen und verlassen uns dann schliesslich aus Verzweiflung auf Regierung und Verwaltung, was wir dann diesen gleich wieder zum Vorwurf machen. Neue Begrifflichkeiten aber dieselbe Problematik bleibt bestehen.
Gerade vor den Erneuerungswahlen möchte ich aber nicht die Schwächen der Parlamentsarbeit sondern die Stärken unseres Systems betonen, respektive aufzeigen, dass wir genügend Handlungsmöglichkeiten hätten, um unsere Aufgabe zu erfüllen, ohne uns noch mehr Informationen auszusetzen. In der Hoffnung, das schaffe bei der Bevölkerung, beim Wählenden Verständnis und Interesse für das demokratische System und damit für unsere Arbeit hier im Parlament.
Für mich steht im Vordergrund, dass wir als Parlament unsere Aufgabe bewusst, unseren Möglichkeiten entsprechend, mit den vorhandenen Ressourcen wahrnehmen, mit dem Selbstverständnis und der Verantwortung, die das Volk uns zubilligt und erwartet. Als Milizparlament nah an den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und trotzdem mit einer professionellen Haltung und selbstverständlich auch in Zusammenarbeit und mit Unterstützung der Parlamentsdienste und der Verwaltung.
Was genau ist denn eigentlich die Aufgaben der Legislative?
Trotz und gerade unter WoV gilt immer noch: Gesetzgebung, Budgethoheit und Oberaufsicht ist unser Kerngeschäft. Darum konzentrieren wir uns….
…auf die Gesetzgebung, die wir zwar initieren können und sollen, deren Vorbereitung aber Regierungsarbeit ist und von der Regierung und Verwaltung auch professionell erfüllt werden muss, damit wir dann auch mit vernünftigem Aufwand die Inhalte politisch werten und darüber entscheiden können.
…auf die Budgethoheit, die auch unter WoV nicht unwesentlich ist und welche die finanziellen Entscheide durchaus aufgrund der guten Grundlagen, die uns vorgelegt werden, bewältigt und in der Sache entschieden werden können.
….auf die Oberaufsicht, die wir sorgfältig organisieren sollten. Wenn ich jetzt vor euch sitze, als höchste Solothurnerin, sagt man, als Vertreterin unseres Parlaments, als höchste Repräsentantin der Bürgerinnen und Bürger, leicht erhöht über der Regierung, ... ähm leicht erhöht, wegen der modernen Architektur halt leider nur mit diesem Kissen..... dann bedeutet das nicht, dass wir als Parlament über der Regierung stehen, denn legitimiert sind wir beide vom Volk. Nein, es handelt sich da nicht um eine Rangordnung. Aber wir haben die Oberaufsicht über die Regierungstätigkeit und darum besteht eine politische Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Diese politische Verantwortlichkeit wollen wir einfordern, das ist ohne weiteres möglich, auch wenn wir immer ein wenig an unsere Grenzen kommen. Das macht gar nichts.
Und Oberaufsicht heisst darum eben keineswegs, dass wir regieren müssen. Überlassen wir doch der Regierung diese Aufgabe, aber fordern wir die Grundlagen für unsere Entscheide und verlangen wir politische Rechenschaft.
Ich bin überzeugt, dass wenn wir uns auf unsere Aufgabe konzentrieren, wir auch mit unserer Rolle zufriedener sein können und mit einer gewissen Überforderung zurechtkommen.
Zum Schluss aber in ganz persönlicher Sache: Ich sitze grundsätzlich hier vorne, um euch durch die Sitzungen zu leiten, euch auf die Finger zu klopfen, wenn ihr zu lange redet und ansonsten sollte ich aber schweigen. Aber heute sei es mir erlaubt folgendes anzumerken: der Diskurs soll kurz prägnant und zur Sache sein. Und die Redezeit nicht überschreiten... alles andere macht mich ungeduldig... und das kann verherend sein. Ich könnte auf die Idee kommen die Fehlbaren zu notieren und spätestens am Kantonsratsausflug auf eine Wanderung mitzunehmen, an die sie sich lange erinnern würden. Sollte es zu mehrmaligen Überschreitungen kommen, wäre dann auch denkbar, dass die Sanktion noch verschärft würde und nicht nur wandern sondern auch nächtelanges Jassen angesagt wäre...
Liebe Kantonsrätinnen und Kantonsräte, werte Regierungsräte, ich freue mich auf die nächsten zwei Sessionen, auf angeregte Diskussionen, auf eure Mitarbeit und eure interessanten Voten, alles Weitere wird dann das Volk am 3. März entscheiden. Ich wünsche euch allen ein erfolgreiches und spannendes 2013. Die Session ist eröffnet.
Susanne Schaffner, Kantonsratspräsidentin