Auf den Punkt gebracht

Eröffnungsrede am Oekumenischen Frauenkirchenfest vom 8. September 2017 in Olten

"Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln." - Archimedes

Heute treffen sie sich hier in Olten bereits zum 10. Mal zum ökumenischen Frauenkirchenfest. Ich sehe vor mir engagierte, neugierige, fröhliche, kirchennahe und kirchenferne Frauen aus dem ganzen Kanton. Auf den Punkt gebracht: Herzlich willkommen, liebe Frauen, ich freue mich, dass ihr da seid und Olten heute zum zum Halte-, Ausgangs- und Ruhepunkt wird. Ich wünsche euch, dass es gelingt, durch euer Zusammenkommen den Hebel am richtigen Punkt anzusetzen.

Hier in Olten gibt es eine lange Tradition verschiedener Frauenvereine, unter anderem auch einen starken katholischen Frauenverein. Begonnen hat es damit, dass um 1900 die Wirtschaft nicht mehr ohne Frauen auskam. Gerade in Olten sind junge Fabrikarbeiterinnen aus den umliegenden Dörfern in die Stadt zur Arbeit gekommen. Um sie vor den Gefahren der Stadt zu schützen und sie nicht an die aufkommenden sozialdemokratischen Arbeiterinnenvereine zu verlieren, ist 1904 der katholische Arbeiterinnenverein Olten und Umgebung gegründet worden. Damit wurde der Grundstein für das katholische Frauenmilieu in Olten gelegt und damit der Nährboden für weitere Vereinsgründungen geschaffen: Vereine zu Themen wie Mädchenschutz, Mütter, Fürsorge sind entstanden. Aber auch die Gründung des katholischen Turnerinnenvereins wurde gefördert, damit die Frauen nicht an neutrale Turnvereine abwanderten. Der Weg von diesen Anfängen der kirchlichen Frauenvereine, die bei der Gründung sicher das Bewahrende, Abwehrende gegenüber andersgläubigen beinhaltete, bis zum heutigen Selbstverständnis der katholischen Frauenvereine war lang und steinig. Aber auch reformierte und christkatholische Frauenverbände hatten lange Zeit grösste Mühe, ihren eigenständigen Platz in der Kirche zu erkämpfen.

Ich erinnere mich noch an die Diskussionen in der Kantizeit. Feministische Theologie war ein Thema, welches bei uns jungen Frauen das Bewusstsein schärfte. Frauen sollten nicht nur Hilfspersonen in den Gemeinden sein, sondern ein mitverantwortlicher Teil der Kirche. Schulkolleginnen, die mit der Kirche nichts am Hut hatten, haben anfangs 80er Jahren Theologie studiert, weil sie derart fasziniert von den Theorien der feministischen Theologie waren. Die Erwartungen waren gross - die Enttäuschung nach Absolvierung des Studiums umso grösser. So musste die Schwester einer Schulkollegin nach Absolvierung des Studiums schwer mit sich kämpfen, als es hiess, die christkatholische Kirche sei noch nicht soweit, Frauen zum Priesterinnenamt zuzulassen. Sie musste bis ins Jahr 2000 warten, bis die christkatholische Kirche endlich die Gleichstellung im Priesteramt einführte.
 
Das heute in der Präambel der Kirchenordnung der reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn steht

"Diese Kirchenordnung gilt für Frauen und Männer und In der Kirche Jesu Christi sind Männer und Frauen in gleicher Weise zur Mitarbeit berufen; sie können in gleicher Weise in alle kirchlichen Organe gewählt und in alle kirchlichen Ämter und Anstellungen eingesetzt werden"

zeigt auf, dass viel Aufklärungsarbeit von den Frauen geleistet werden musste und wahrscheinlich immer noch geleistet wird, damit das Thema Gleichberechtigung schwarz auf weiss formuliert wird.

Trotz aller Zuversicht, trotz allen Fortschritten, trotz Gleichstellungsbemühungen: Frauen haben immer noch, egal, ob in kirchlichen oder weltlichen Strukturen, mit Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten zu kämpfen, auch wenn selbstverständlich schon viel Fortschritte gemacht worden sind. Das Wort Oekumene hat für uns Frauen darum eine besondere Bedeutung. Wir Frauen wollen und müssen gemeinsam Einfluss auf die Gestaltung unserer Welt nehmen und sollten uns nicht durch unsere unterschiedlichen religiösen und/oder politische Haltungen davon abbringen lassen, gemeinsam für Gleichberechtigung einzustehen und unsere Anliegen immer wieder einzubringen. Trotz unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichem Hintergrund haben wir auch aufgrund unserer Erfahrungen in der Familie, in der Gemeinschaft, bei der Arbeit ein Ziel vor Augen: eine gerechte, solidarische Gesellschaft, in welcher Frau und Mann gleichberechtigt sind.

Um es auf den Punkt zu bringen: Euer Frauenkirchenfest und euer Zusammenkommen seit 10 Jahren ist ein wichtiger Anlass, um genau diese Tatsache immer wieder in Erinnerung zu rufen. Wir können uns nicht auf Errungenschaften ausruhen, solange Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, solange berufliches Vorwärtskommen im Teilzeitpensum immer noch schwieriger ist als im Vollzeitpensum, solange wir immer noch erklären müssen, warum wir welches Familienmodell gewählt haben und solange wir immer noch nicht die nötigen Strukturen haben, um auch das Familienmodell zu wählen, welches allen Familienmitgliedern zugutekommt und solange Alleinerziehende Frauen immer noch das grösste Armutsrisiko haben und das Thema Gewalt gegen Frauen trotz aller Sensibilisierung und neuer Gesetze keineswegs ad acta zu legen ist.

Es ist darum wichtig, sich unter Frauen auszutauschen, sich Mut zu machen, neue Ideen zu entwickeln, besinnliche Moment zu geniessen und sich zu freuen, dass wir es gemeinsam schaffen unsere Anliegen auf den Punkt zu bringen und den Hebel anzusetzen, wo es nötig ist.