Der entwürdigende Umgang mit älteren Arbeitskräften
Das Bundesgericht hat vor einigen Monaten entschieden, dass die Kündigung eines 59jährigen Kadermitarbeiters, der 35 Jahre für den gleichen Arbeitgeber gearbeitet hat, missbräuchlich sei. Als Arbeitgeber habe man für ältere, langjährige Mitarbeitende eine erhöhte Fürsorgepflicht. Das klingt nach einem weisen Entscheid. Bloss, wer missbräuchlich entlassen wird, bekommt selten mehr als eine Entschädigung, die zwei Monatslöhnen entspricht. Betroffene ältere Arbeitnehmerinnen und -nehmer verlieren derweil nicht nur ihre Stelle, sie finden auch selten wieder eine neue Anstellung. Die Ansprüche auf Arbeitslosengeld enden lange vor dem Pensionierungsalter und damit gehen auch ihre Rentenansprüche gegenüber der Pensionskasse verloren.
Aus Wirtschaftskreisen wird immer wieder betont, wie wichtig ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen seien. Man wäre froh, könnte man sie sogar über das heutige Rentenalter hinaus beschäftigen. Dies mag für spezialisierte Arbeitskräfte vielleicht zutreffen, aber auch die werden wohl kaum feste Anstellungen erhalten, sondern ganz einfach nur dann eingesetzt, wenn Not am Mann ist – Not an der über fünfzig- oder gar sechzigjährigen Frau ist leider noch viel seltener.
Ich werde Tag für Tag mit Einzelschicksalen konfrontiert, mit Menschen, die in keiner Weise eine Chance haben, je wieder eine vollwertige Anstellung zu finden, auch wenn sie gesund und voller Schaffenskraft sind.
Derweil veröffentlicht das Amt für Wirtschaft regelmässig seine Arbeitslosenstatistik, die gar nicht so schlimm aussieht. All die Ausgesteuerten, so seit Jahren die Auskunft auf entsprechende Nachfragen, könne man halt nicht erfassen. Als ob sie von einem schwarzen Loch verschluckt würden, sind sie für die Öffentlichkeit unsichtbar, bis sie eines Tages als „Sozialschmarotzer“ in gehässigen Zeitungskommentaren und Politinseraten wieder auftauchen.
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn rühmt sich jedes Jahr, sie gliedere Arbeitskräfte, die aus Krankheitsgründen ihren Arbeitsplatz verloren hätten, mit einer hohen Erfolgsquote wieder ein. Diese Statistik verschweigt, dass die angeblich Eingegliederten oft nur dank der Bemühungen ihres langjährigen Arbeitgebers im Betrieb weiterbeschäftigt werden. Alle andern, die das Pech haben, einen neuen Arbeitgeber suchen zu müssen, haben kaum eine Chance. Die Praxis zeigt: Über 50jährige ohne Ausbildung, deren Arbeitskraft eingeschränkt ist, werden kaum je eingegliedert. Es gibt gar keine Arbeitsplätze für sie. Nach IV-Massstäben wird ihnen meistens nicht einmal der Anspruch auf Eingliederung zugesprochen. Diese Leute erscheinen in der Eingliederungsstatistik nicht und können diese somit auch nicht verschlechtern.
Sie fallen durch alle Maschen und landen irgendwann unfreiwillig bei der Sozialhilfe. Statt kurzfristige Überbrückungshilfe, wie ursprünglich vorgesehen, wird die von den Gemeinden zu berappende Sozialhilfe zum Dauerauffangbecken für Menschen, die eigentlich viel früher hätten aufgefangen werden können. Aber jeder ist sich selbst der nächste. Beim Arbeitgeber angefangen, der im Falle einer missbräuchlichen Kündigung mit einer kleinen Strafe davon kommt, bis zur Privatversicherung, die im Zuge der IV-Sparmassnahmen kräftig profitiert. Denn die Prämien für das Risiko Krankheit sind schnell kassiert. Wenn es dann um Leistungen geht, ist rigoroses Sparen angesagt.