Faire Löhne und bessere Renten

1.-Mai-Ansprache in Balsthal: Einkommen und Vermögen sind in unserem Land äusserst ungerecht verteilt. Die Verschiebungen gehen zu Lasten jener, die sowieso wenig verdienen und immer mehr auf Kosten des sogenannten Mittelstandes. Es kann nicht nur die Aufgabe von Kanton und Gemeinden sein, den Ausgleich mit Steuergeldern zu leisten, währenddem Gewinne fast steuerfrei von den Gutverdienenden abgeschöpft werden.

Einkommen und Vermögen sind in unserem Land äusserst ungerecht verteilt. Das hat viele Gründe. Geht es der Wirtschaft etwas schlechter und verringern sich die Gewinne, wird der Druck auf die Löhne immer stärker. Schreibt der Kanton wegen den vielen Steuersenkungen, die zugunsten der Reichsten gemacht worden sind ein Minus – wie dies nun der Fall ist – werden sofort soziale Unterstützungsleistungen wie die Krankenkassenprämienverbilligung, die Sozialhilfe, die Ergänzungsleistungen für Familien, Stipendien etc., zur Diskussion gestellt, Gebührenerhöhungen diskutiert und ein Abbau bei der Bildung wird verlangt.
Spüren die privaten Krankenkassen, Unfall- und Krankentaggeldversicherer, dass die Gewinne etwas zurückgehen, werden die Leistungen verweigert und auf den Staat abgewälzt. Ich verweise da auf die Spitalfinanzierung für ausserkantonale Spitalbehandlungen, welche jetzt statt wie bisher die privaten Versicherer die Kantone mit Millionen zu berappen haben, die politisch motivierten Kürzungen und Aufhebung der IV-Renten. Die ungerechtfertigten Leistungsverweigerungen der Kranken- und Unfallversicherer, die bei gleicher Prämienlast im Schadenfall juristische Auswege suchen, um Leistungen zu verweigern. Aufgefangen werden muss dies alles von Kanton und Gemeinden, welche Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe ausrichten müssen.
All das geht zu Lasten jener, die sowieso wenig verdienen und immer mehr auf Kosten des sog. Mittelstandes, zu dem wir ja auch alle gehören möchten.


Einkommen und Vermögen sind in unserem Land wie gesagt äusserst ungerecht verteilt. Es kann nicht nur die Aufgabe von Kanton und Gemeinden sein, den Ausgleich mit Steuergeldern zu leisten, währenddem Gewinne fast steuerfrei von den Gutverdienenden abgeschöpft werden.
Wir haben uns hier versammelt, um kund zu tun, dass faire Löhne und gute Sozialversicherungsleistungen allen ein Auskommen garantieren sollen, um kund zu tun, dass die Wirtschaft ihren Teil leistet und sich nicht aus der Verantwortung zieht.

Faire Löhne - in der Verantwortung stehen die Arbeitgeber
Der Lohndruck ist gross und wird immer grösser. Besonders stark wirkt sich das auf die mittleren und kleinen Einkommen aus. Eine Berufslehre garantiert keinen guten Lohn mehr: Ein Drittel aller Tieflohnbezüger verfügt über einen Lehrabschluss. Frauen werden weiterhin diskriminiert und verdienen im Schnitt 18 % weniger als Männer.
Ihr sagt, wir haben in vielen Branchen gute Gesamtarbeitsverträge, und wir haben doch die Gleichstellung und damit die Lohngleichheit in der Verfassung verankert.
Ich wende ein, viele Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden und auch das Gebot der Lohngleichheit werden leider umgangen. Es werden Temporärmitarbeitende angestellt, die zu schlechtesten Bedingungen, zu tieferen Löhne und ohne Sicherheit auf eine längerfristige Anstellung arbeiten, auch in Unternehmen mit guten Gesamtarbeitsverträgen. So stellt die SBB eine Vielzahl von befristeten oder temporären Mitarbeitenden in den Industriewerken und in der Wagenreinigung an. Sie fallen nicht unter die Bestimmungen des GAV, verdienen weniger und können sofort entlassen werden, wenn man sie nicht mehr braucht.
In der Baubranche ist bekannt, dass Temporäre jeweils 3 Monate arbeiten und dann ein neues Vermittlungsbüro suchen müssen. So werden Pensionskassenleistungen umgangen. Die Bauwirtschaft profitiert von tiefen Löhnen, die Arbeitnehmenden sind punkto Sozialleistungen minimal abgesichert und stehen alle drei Monate vor dem Nichts. Das kann es doch nicht sein!
Viele Arbeitsverhältnisse mit Frauen v.a. im Verkauf, in der Lebensmittelindustrie, im Gastgewerbe werden Teilzeit abgeschlossen oder auf Abruf vereinbart. Tiefe Löhne, keine geregelte sichere Arbeit, fehlende Sozialleistungen und damit ein Leben am Existenzminium sind die Folge. Wir müssen uns dagegen wehren, dass es gerade Frauen trifft, die sowieso schon oft als Alleinerziehende die ganze Last zu tragen haben.
Es braucht also nicht nur fairen Lohn, wie das mit der sinnvollen Mindestlohninitiative verlangt wird, es braucht auch faire Arbeitsbedingungen für alle Arbeitsverhältnisse. Es braucht einen besseren Schutz für befristete und temporäre Arbeitsverhältnisse und es braucht verantwortungsvolle Arbeitgeber, nicht nur auf dem Papier, sondern im Umgang mit allen Arbeitnehmenden.

Bessere Renten und bessere Sozialversicherungsleistungen
Auf dem Papier steht, alle hätten Anspruch auf existenzsichernde Renten, wenn sie pensioniert sind, wenn sie invalid sind. Anspruch auf Krankentaggeld, wenn sie krank sind, auf Unfalltaggeld, wenn sie verunglücken. 
Weil das Bundesparlament mit einer Revision nach der andern IV-Renten kürzt oder schon gar nicht mehr zuspricht und Invalide juristisch gesund macht, viele nicht arbeitsfähige und nicht eingegliederte Menschen fallen gelassen werden - nicht nur von der IV auch von der Pensionskasse und von den privaten Versicherer - müssen die Gemeinden mit Sozialhilfeleistungen einspringen, der Kanton gekürzte Renten mit Ergänzungsleistungen auffüllen. 
Nun sollen auch die AHV-Renten ins Visier genommen werden. Damit wird unser verlässlichstes und am sinnvollsten finanzierte(s?) Sozialwerk geschwächt. Obwohl die heutigen AHV-Renten für künftige Generationen wesentlich höher sein sollten, um wirklich das Risiko Alter abzudecken.

Setzen wir uns mit aller Kraft dafür ein, dass künftige Generationen bei Krankheit und im Alter genügend versorgt sind. 
Aktuell wird im Historischen Museum in Olten eine Ausstellung über die Geschichte der Von Roll Eisenwerke AG gezeigt. Die von Roll ist euch hier in Balsthal besser bekannt als mir, war doch gerade eure Region von dieser lange Jahre geprägt. Die Ausstellung zeigt nicht nur die beeindruckende Vielfalt von Produkten, welche die Firma von Roll hergestellt hatte und welche die Nachfolgefirmen heute noch herstellen, sondern auch das Original vom legendären Friedensabkommen von 1937. Das so genannte Friedensabkommen zwischen den Gewerkschaften und dem Arbeitgeberverband der Maschinen- und Metallindustrie von 1937 hat den Weg zur heutigen Sozialpartnerschaft bereitet. Ernst Dübi, Generaldirektor der von Roll und damaliger Präsident des Arbeitgeberverbandes, hat sich für dieses Friedensabkommen eingesetzt. Auf Seiten der Gewerkschaften ist es Konrad Ilg vom SMUV gewesen, welcher massgeblich an der Ausarbeitung des Vertrages beteiligt gewesen ist.
In diesem Friedensabkommen steht, dass das Prinzip von Treu und Glauben gelten soll im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden. Treu und Glauben wäre gerade in Zeiten des Sozialabbaus, wie er heute schleichend Platz greift, ein wichtiges, wieder zu erweckendes Prinzip, das leider viele Arbeitgeber heute vergessen haben. Treu und Glauben heisst, dass man sich um die Arbeitnehmenden sorgt, ihnen faire Löhne zahlt. Treu und Glauben heisst, dass man sich dafür einsetzt, dass sie versorgt sind, wenn sie einen Unfall haben oder krank werden. Treu und Glauben heisst, dass man auch jene beschäftigt, die gesundheitliche Einschränkungen haben. Und Treu und Glauben hat im Falle der von Roll auch geheissen, dass in Krisenzeiten die Eigentümer auch eigenes Geld in die Firma eingeschossen haben, um die Firma zu erhalten und die Arbeitsplätze zu sichern.. …Welcher Aktionär erinnert sich heute noch daran, dass mit dem Wohl der Firma auch das Wohl der Arbeitnehmenden einhergeht und auch Aktienbesitz nicht nur das Wirtschaften in die eigene Tasche, sondern auch Verantwortung für die Gesellschaft bedeutet?
Bessere Löhne und bessere Sozialversicherungsleistungen sind nur gewährleistet, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmende am gleichen Strick ziehen, wenn alle Arbeitgeber, und da meine ich besonders auch die grossen Unternehmen, wieder Verantwortung übernehmen für ihre Arbeitnehmenden. Sich nicht von Gewinnmaximierung blenden lassen, sich nicht von Versicherungen unter Druck setzen lassen und Firmeneigentümer und Aktionäre auch das Wohl der Arbeitnehmenden, unseres Kantons und der ganzen Gesellschaft im Auge behalten würden.
Der Kanton Solothurn und all seine Regionen leben von einer gut funktionierenden Wirtschaft und davon, dass möglichst viele einer Arbeit nachgehen können. Das macht den Kanton und auch die Region stark und hebt die Lebensqualität für alle.
Ihr alle, die ihr euch heute da versammelt habt, steht für diesen Kanton. Ihr alle setzt euch ein an eurem Arbeitsplatz für euch, für eure Kolleginnen und Kollegen, in der Politik für jene, welche Unterstützung nötig haben. Schaut nicht weg, solidarisiert euch mit jenen, die weggespart werden sollen, die ausgenützt werden, mit jenen, die ihre Arbeit nach ihren Möglichkeiten erledigen, auch wenn sie nicht mehr immer die volle Leistung erbringen können. Sie alle brauchen eure Unterstützung!


In diesem Sinne soll dieser 1. Mai uns alle dazu veranlassen, uns beim Kanton, in der Gemeinde, in der Wirtschaft und am eigenen Arbeitsplatz dafür einzusetzen, dass auch wenn das Geld angeblich knapper wird, kein Lohn- und Sozialabbau bei den Schwächsten getätigt wird. Es hätte längstens genug für alle, wenn es etwas gerechter verteilt würde.


Ich danke euch allen, dass ihr heute da seid und für euren Einsatz und Mut. Ich danke euch allen für das Zuhören und ich danke den Organisatoren für die Einladung und wünsche euch allen noch ein schönes Fest.