Kritische, starke Stimme der Betroffenen
Laudation für Insieme Solothurn im Rahmen der Sozialpreis-Verleihung 2016
Eindrückliche, berührende Fotografien von Menschen mit einer geistigen Behinderung hat der Oltner Fotograf Franz Gloor vor zehn Jahren gemacht. Die Bilder von Menschen, die unter uns leben, denen wir aber doch selten begegnen, haben in den letzten Jahren bei mir und ich denke auch bei vielen unter Ihnen hier im Publikum zumindest zu fotografischen Begegnungen geführt. Die Fotoserie wurde anlässlich des 40-jährigen Bestehens von Insieme Solothurn in Auftrag gegeben. Heute feiert Insieme Solothurn, die Vereinigung für Menschen mit einer geistigen Behinderung, bereits ihr 50-jähriges Jubiläum.
Vom Rand in die Mitte!, so lautete das Motto von Insieme Solothurn vor 10 Jahren und dieses Motto sagt treffend, für was sich die Mitglieder dieser privaten Selbsthilfeorganisation von Eltern- und Angehörigen gemeinsam (also insieme) einsetzen: dafür, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung, wie alle Menschen, unter guten Bedingungen leben und sich entfalten können - gleichberechtigt, eigenständig und ohne Diskriminierung.
Vor 50 Jahren hat Fred Egger, Vater einer geistig behinderten Tochter, die Vereinigung gegründet und ein Fünf-Punkte-Programm mit folgendem Inhalt aufgestellt: professionelle Früherfassung, Schaffung einer Sonderschule, Errichtung eines Sonderschulheims, Aufbau einer Beschäftigungswerkstätte sowie Aufbau eines Angebotes für Freizeit- und Sportmöglichkeiten für geistig behinderte Menschen.
Sie sagen nun, das haben wir ja alles. Richtig, institutionell ist fast alles in den letzten 50 Jahren verwirklicht und mit der integrativen Schulung ist ein weiterer Schritt vom Rand in die Mitte gemacht worden. Viel wurde von Insieme im Kanton Solothurn initiiert und unterstützt. Kritisch und mit einer starken Stimme vertritt die Vereinigung die Sicht der Angehörigen. Insieme steht auch stellvertretend für viele kleinere Organisationen von Angehörigen von Menschen mit einer Behinderung, die selbstbewusst auftreten, im Wissen, dass sie sich nicht immer beliebt machen. Aber die Stimmen finden Gehör und die Anliegen fliessen in die Institutionen und in die politischen Entscheide ein. Persönlichkeiten, die mit hohem Engagement für die Vereinigung ihre Freizeit eingesetzt haben, bilden das wichtige Fundament.
Insieme ist auch eine Anlaufstelle, wo Angehörige sich beraten und stärken lassen können. Eine wichtige Funktion erfüllt die Vereinigung mit ihrem vielfältigen Freizeit- und Sportangebot. Ziel ist das Zusammensein und die Begegnung Nichtbehinderter mit Behinderten, Behinderter mit Nichtbehinderten. Der Insieme Träff ist seit 40 Jahren ein toller Begegnungsort. Einzigartig ist das Lager für Menschen mit einer geistigen Behinderung, das Insieme seit Jahren durchführt. Ein sehr anspruchsvolles und aufwändiges Projekt, das jedes Jahr viele freiwillige Helferinnen und Helfer braucht, aber auch grosse Freude bei allen Teilnehmenden auslöst.
Die Jury möchte mit der Nomination den langjährigen Einsatz dieser Organisation zugunsten der Menschen mit einer geistigen Behinderung honorieren. Insieme Solothurn macht seit 50 Jahren unablässig vor, dass die Stimme der Betroffenen auf dem Weg vom Rand in die Mitte wichtig ist und Wirkung zeigt. Herzlichen Dank!
Laudatio von Susanne Schaffner, Jurymitglied,
am 15. September 2016 anlässlich der Verleihung
des Sozialpreises 2016 des Kantons Solothurn