Gesundheit ist nicht wählbar

Manche Partei stellt sich in diesen Tagen vor den Wahlen vom 21. Oktober in allen Farben dar und schmückt sich ungeniert mit bunten fremden Federn. Gerade im Gesundheitswesen verspricht jeder und jede auch auf nationaler Ebene das Heilmittel für die steigenden Kosten.

17 Pillen schlucke er jeden Tag, sagt der Mann der vor mir steht. Er fühle sich  krank. Dreissig Jahre lang hat er als Geleisebauer gearbeitet und nicht einen Tag gefehlt. Seine Ehefrau erzählt, dass sie vor Jahren von den Ärzten krank geschrieben worden sei und eigentlich nicht wusste warum. Heute sagen die Ärzte, sie sei gesund, dabei ist kaum ein Organ oder Glied, das an ihr noch nicht operiert worden ist. Für sie ist es heute klar: Sie ist krank.

Oder jene Frau, die nach einem schweren Autounfall, sofort wieder zur Arbeit ging, aus Angst, ihre Stelle zu verlieren. Nach einigen Wochen brach sie zusammen. Sie war ganz einfach nicht mehr in der Lage, den ganzen Tag auf den Beinen zu stehen. Sie sei doch jung und solle auf die Zähne beissen, meinte der Arzt, der sich nicht länger mit dieser Geschichte abgeben will. Schliesslich drängt ja auch die Versicherung auf einen raschen Abschluss des Falles.

Krank oder gesund. Wer belastet warum unser Gesundheitssystem, die IV, die Unfallversicherung etc.? Gesundheit bedeutet von Fall zu Fall, je nach Blickwinkel, für jeden etwas anderes.

Die bürgerliche Mehrheit des Nationalrates hat diese Woche das angebliche Heilmittel gefunden: Regulierter Wettbewerb bei der Krankenversicherung - in sich bereits ein Widerspruch - soll die Kosten senken. Das würde konkret bedeuten, dass die Spitalplanung und die Auswahl der behandelnden Ärzte  durch die Krankenkassen bestimmt wird. Die günstigsten werden berücksichtigt, den Profit streichen die Krankenkassen ein. Wer alt und krank oder eine Frau ist (gemäss Statistik offenbar generell kränker als Männer) zahlt die hohen Grundprämien und hat keine Wahl, während die gesunden Jungen sich mit Zusatzversicherungen bessere Leistungen erkaufen können. Anstatt das bestehende Krankenversicherungssystem zu optimieren und dafür zu sorgen, dass im Gesundheitswesen mehr Qualität und weniger Kosten resultieren, will eine bürgerliche Mehrheit im Nationalrat mit einem grundlegenden unsozialen Systemwechsel nötige Verbesserungsschritte über Jahre blockieren!

Die gleichen bürgerlichen Parteien, die sich der Sozialwerke loben, schaffen sie hinterrücks mit falschen Versprechungen ab. Mit einfachen Lösungsansätzen werden auf unsoziale Weise Leistungen für einen Teil der Betroffenen abgebaut. Die letzte IV-Revision liegt noch nicht lange zurück, die Leistungen sind sofort eingeschränkt worden, die entsprechenden Bemühungen für die hochgelobten Eingliederungsmassnahmen lassen auf sich warten.

Auch wenn es heute als „uncool“ gilt: Solidarität mit kranken und alten Menschen ist nötiger denn je, denn Gesundheit ist nicht wählbar. Aber Volksvertreterinnen und -vertreter sind es!