Kunst, die Verbundenheit schafft
Rede zur Vernissage der ART in der Shedhalle in Schönenwerd vom 29.11.2018
Liebe Künstlerinnen und Künstler, liebe Kunstinteressierte. Auch von meiner Seite möchte ich Sie ganz herzlich an der ART in der Shedhalle hier in Schönenwerd begrüssen. Über die nächsten vier Tage werden hier in dieser eindrucksvollen Industriehalle aus den 70er-Jahren die Werke von zehn Kunstschaffenden aus der Region ausgestellt. Und das Spektrum ist wie auch in den vergangenen Jahren gross: sinnliche Frauenfiguren auf Leinwand, schlichte, ausdruckstarke Formen in Stein und Beton gemeisselt, auf die Leinwand gemalt, aus Bronze gegossen, aber auch unterhaltsame Karikaturen, veränderte Alltagsgegenstände und ausdruckstarke «Rostis» – darunter sogar Kühe mit Hörner. Es wird klar: Das kulturelle Schaffen im Kanton Solothurn und vor allem in unserer Region ist vielfältig und spannend.
Kunst hat – wie mein Amt als Vorsteherin des Departements des Innern – viel mit Menschen zu tun. Ich würde mich zwar selber nicht gerade als Künstlerin bezeichnen, aber sowohl Politik als auch Kunst stehen im besten Fall immer in einer unmittelbaren Nähe zum Menschen. Es sind die Wünsche, Hoffnungen, Ängste, aber auch das tagtäglich Erlebte, welche beide inspirieren und motivieren. Auch die abstrakteste Skulptur schöpft sich im Endeffekt aus der Inspiration der Künstlerin, auch hinter dem unverständlichsten Paragrafen-Tiger steht eine politische Überlegung.
Auch hier in der Shedhalle in Schönenwerd, in welcher früher die Emil Schenker AG Storen und Federautomaten herstellte, standen die Menschen im Zentrum. Denn egal, wie automatisiert die Industriemaschinen auch waren: Es waren im Endeffekt Menschen, welche die bis heute schweizweit bekannten Storen herstellten und dem international tätigen Unternehmen durch ihre qualitativ hervorragende Arbeit einen guten Ruf bescherten. Die Schenker Storen sind Schönenwerd bis heute treu geblieben, das Unternehmen ist aus dieser Shedhalle herausgewachsen und ist heute einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region. Trotz heute vielen automatisierten Schritten zur Storenherstellung sind dort immer noch Arbeiterinnen und Arbeiter am Werk.
Schönenwerd kennen wir alle als ehemaligen Industrieort, als Ort der Innovation und des Fortschrittes, aber auch des wirtschaftlichen Niedergangs, Bally, Bally Band, Nabholz. Sie kennen diese Brands von Produkten, die längst nicht mehr in Schönenwerd, aber auch nicht mehr in der Schweiz hergestellt werden. Immer weniger Menschen sind in der Schweiz in der herstellenden Industrie tätig – die unmittelbare Nähe zwischen Konsumentin und Produkt geht verloren und der einstige Produzent verkommt zum reinen Konsumenten.
Und auch der Kulturbetrieb läuft manchmal Gefahr, diese unmittelbare Nähe zu den Menschen zu verlieren. Die Verleihung von Kunstpreisen hat oft mehr mit Glück als mit den Qualitäten der Werke zu tun. Der internationale Kunsthandel gleicht eher einem Börsenmarkt mit Bildern als einer seriösen und kreativen Auseinandersetzung mit Kunstwerken. Viele Kunstgalerien richten sich an ein wohlhabendes Publikum, welches Gemälde als reine Wertanlage betrachtet.
Dabei war die bildnerische Kunst einst ein Handwerk und die Künstlerinnen und Künstler Teil der Arbeiterschaft. Die Nähe der Künstlerin zu ihrem Werk, die Emotionen, die der Bilderhauer in seiner Skulptur verwirklicht: Wenn das alles fehlt und ein Gemälde nur noch ein Konsumgut ist, dann ist die Kunst verloren.
Hier in der Shedhalle sind Künstler am Werk, die ihre Werke nicht nur für die Galerie und den Kunstmarkt schaffen, sondern deren Werke ein Teil ihres Selbstverständnisses, eine Fortentwicklung ihres beruflichen Erfahrungsschatzes, ihrer Persönlichkeit sind. Sie stehen alle mit beiden Füssen im Leben, bei den Menschen. Wer sich hier in der Shedhalle umschaut, ist beeindruckt von der Vielfältigkeit und der Lebendigkeit. Hier treffen Bilder, Objekte und Installationen aufeinander. Hier trifft aber auch der Bauschlosser auf die Kunstvermittlerin, der Installateur auf den Clown, der Steinbildhauer auf den Lehrer und der Maurer auf die Zahnarztassistentin.
Mit der Kunst ist es ja auch ein bisschen wie mit dem Wein: Klar, beide können teuer sein, einen guten Namen haben oder in einer eindrucksvollen Sammlung stehen, aber es gibt eben auch noch andere Kriterien. Vielleicht ist der Winzer ein guter Bekannter von uns und wir schätzen ihn und seine Arbeit. Seinen Wein zusammen mit Freunden zu trinken, kann uns plötzlich mehr bedeuten, als sich im Nobelrestaurant die beste und teuerste Flasche servieren zu lassen. Zu der künstlerischen Qualität kommt die Verbundenheit von Künstlerinnen, Künstlern, Betrachter und Betrachterinnen. Kunst, die Freude macht, die uns anspricht, zu Diskussionen anregt – und Gemeinschaft stiftet.
lch freue mich mit Ihnen über diese spannende Ausstellung und ganz viele Besucherinnen und Besucher. Geniessen Sie die Vernissage und die gleich folgende musikalische Begleitung durch Paolo Beghini.