Hartnäckige Solothurner Pionierinnen

Rede anlässlich der Vernissage der Publikation «Pionierinnen» am 2. November 2025 im Haus der Museen in Olten

Die Ausstellung «Pionierinnen» des Historischen Museums Olten war ein Beitrag aus Solothurner Sicht zum 50-Jahr-Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz. Einige Jahre nach der Ausstellung konnte am 2. November 2025 in Olten endlich die Vernissage der entsprechenden Publikation stattfinden. Nachfolgend meine Rede an diesem Anlass:

Kurz vor der Eröffnung der Ausstellung, mitten im Corona-Jahr 2020, hatte ich im Zug von Solothurn nach Olten einen Politiker, der dem sogenannten «bürgerlichen» Lager zugerechnet wird, getroffen. Es ging um die Regierungsratswahlen vom März 2021. Er meinte: «Die CVP-Kandidatin wird es sehr schwer haben. Der Kanton Solothurn ist nicht bereit für drei Frauen in der Regierung.» Die Zeit sei einfach noch nicht reif dafür.
Nach dem entscheidenden Wahlgang im April 2021 war klar: Der gute Mann hatte die Zeichen der Zeit falsch eingeschätzt. Seit 2021 hat die fünfköpfige Solothurner Regierung eine Frauenmehrheit, welche diesen Frühling wieder bestätigt worden ist, auch wenn mit anderer Zusammensetzung. So gesehen, ist der Kanton Solothurn durchaus ein Pionier-Kanton. Mehr Frauen als Männer in der Exekutive, das haben heute nur noch die Kantone Zürich, Neuenburg, Genf und Waadt.
Doch diese «Pioniertat» hat kaum Aufsehen erregt. Es gab keine Feiern und auch kaum Diskussionen darüber. Es fällt nicht einmal mehr auf, weil es selbstverständlich geworden ist. Ab und zu kommen die Medien auf uns Regierungsrätinnen zu und fragen: «Wie wirkt sich denn das in der Regierung aus, wenn es mehr Frauen als Männer hat?» Wir Regierungsrätinnen beantworten diese Frage nicht. Weshalb? Hat irgend jemand den männlichen Regierenden in all den Jahrzehnten, ja Jahrhunderten, vor 2021 diese Frage gestellt, wie es denn so sei mit einer Männermehrheit zu regieren? Warum auch? War doch selbstverständlich...

Wer das Buch «Pionierinnen» zur Hand nimmt, sieht schnell, dass wir nicht weit zurückblicken müssen, um festzustellen, wie zäh die Entwicklung lief – nicht nur im politischen Bereich - und wie viel Engagement seitens der Pionierinnen nötig war, um «Selbstverständlichkeiten» zu erkämpfen. «Nume nid gsprengt», lautete offenbar das Motto, wenn wir auf die Geschichte des Einbezugs von den Frauen in die Politik zurückblicken. Nur so nebenbei bemerkt: Als erste Sozialdemokratin in der Solothurner Regierung bin ich auch so etwas wie eine Pionierin: 2017 gewählt worden, rund 120 Jahre nachdem «meine» Partei erstmals gleiche Rechte für Mann und Frau gefordert hatte. So als Randnotiz sei erwähnt, dass ich, weil ich diesen Frühling mit 62 Jahren für eine dritte Amtsdauer kandidierte, ab und zu hören musste: «Was, du machst in deinem Alter noch weiter?» Vor mir haben viele männliche Regierungsräte ganz selbstverständlich über das Pensionsalter hinaus weitergemacht... Ich erwähne dies, weil ich am Samstag in der Sendung Zytlupe (SRF 1 jeweils samstags 13 h) der Satirikerin Stefanie Grob gehört habe. Offenbar zum unfreiwilligen Rücktritt gezwungen, sagte sie anlässlich ihrer letzten Sendung, in der sie die immer kurzlebigere Mode thematisierte: «Frauen in der Öffentlichkeit sind immer noch Limited Edition: exklusiv, begehrt, aber leider mit Ablaufdatum», während Männer das Mass aller Dinge im Sinne von Massanzügen seien, unverwüstlich, sogenannte Legenden.

Darum jetzt etwas zu unsern Frauen-Polit-Legenden:
Die erste Regierungsrätin im Kanton Solothurn überhaupt war Cornelia Füeg von der FdP. Sie wurde 1987 gewählt. Es dauerte also tatsächlich 16 Jahre, bis es nach Einführung des Frauenstimmrechts die erste Frau in den Regierungsrat schaffte. «Pionierinnen brauchen oft mehrere Schritte oder Stationen, bis ihnen etwas gelingt,» um es in den Worten von Ruth Grossenbacher zu sagen. So auch Cornelia Füeg, welche am Tag der Annahme des eidgenössischen Frauenstimmrechts, im Jahr 1971, als erste Frau im Kanton Solothurn zur Gemeindeschreiberin gewählt wurde. Die Gemeinde hatte ihr allerdings vorgeschlagen, dass ihr Ehemann sich zur Wahl stellen solle. Sie könne das Amt ja dann im Hintergrund trotzdem ausüben. Da geriet man bei Cornelia Füeg aber an die Falsche. Sie verlangte von der Gemeinde, dass sie und nicht ihr Mann zur Wahl stehen soll. 1973 gehörte sie zu den ersten Frauen, die in den Kantonsrat gewählt wurden, und 1975 schaffte sie es dann als erste Solothurnerin in den Nationalrat. Dort engagierte sie sich u.a. als Kommissionspräsidentin für den Gleichstellungartikel in der Bundesverfassung.  
«Es hat einen langen Schnauf gebraucht», sagt Ursula Ulrich, die 1973 als erste Frau ins Oltner Gemeindeparlament gewählt wurde. Als einzige Frau unter 49 Männern hatte sie die männlichen Parlamentsmitglieder mit dem Thema geschlechtsneutrale Sprache so lange genervt, bis sie zustimmten, das Kindergartenreglement so zu gestalten, dass nicht nur Kindergärtnerinnen, sondern auch Kindergärtner erwähnt wurden. Zehn Jahre später wurde sie als erste Frau Präsidentin des Gemeindeparlaments. Sie war auch Verfassungsrätin, Kantonsrätin und wurde 1987 als erste SP-Vertreterin des Kantons in den Nationalrat gewählt.
1987 hat es auch die erste Solothurner Frau in den Ständerat geschafft: Rosemarie Simmen. Sie war eine wichtige Politikerin in Sachen Integration von Ausländerinnen und Ausländer. Sie hatte die Gesetzgebung in diesem Bereich vorangetrieben und geprägt. Die Integration fördert Gleichstellung von Frauen mit Migrationshintergrund. Im Bereich Integration hat die Schweiz sehr lange an den Grundlagen gearbeitet, ist heute aber gut aufgestellt. Doch auch hier müssen wir dranbleiben.
Und schliesslich möchte ich Ruth Grossenbacher erwähnen. Sie wurde 1991 in den Nationalrat gewählt. Politisch vertrat sie ein grosses Anliegen: die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Berufslehre und an den schweizerischen Hochschulen. Geprägt hatte sie die Tatsache, dass sie nach ihrer Heirat ihren Beruf als Lehrerin nicht mehr in einer festen Anstellung ausüben durfte. Umso mehr setzte sie sich als Verfassungsrätin und als langjährige Präsidentin der CVP Frauen schweizweit für Frauenrechte und Chancengerechtigkeit ein und ermutigte, unterstützte und förderte Frauen immer wieder. Etwas, was wir allen Pionierinnen hoch anrechnen müssen: Sie alle steckten enorm viel Energie und Engagement in eine bessere Zukunft für nachfolgende Generationen von Frauen.

Stichwort Chancengerechtigkeit:
Die Abstimmung Ende September hat es wieder einmal gezeigt: Es ist auch heute noch keine Selbstverständlichkeit, dass Frauen ihren Beruf weiter ausüben können, wenn sie Kinder haben. Bei der Abstimmung über das «Kita-Gesetz» im Kanton Solothurn wurden wieder einmal alte Rollenbilder und finanzielle Argumente hervorgeholt. Lucie Hüsler, die solothurnische Vorkämpferin für Frauenrechte, hat so recht, wenn sie sagt: «Rechtliche Gleichstellung ist erreicht, aber Vieles ist unterschwellig immer noch da, darum müssen wir wachsam bleiben. Alles scheint selbstverständlich, aber ohne Engagement für die Errungenschaften im Bereich der Chancengerechtigkeit könnte es plötzlich wieder rückwärts gehen. Alle sind heute für Gleichberechtigung, aber oftmals doch noch für alte Rollenbilder.»