Charmeoffensive auf Grenchner Art

„Aufgrund Ihrer Äusserungen müssen wir annehmen, dass Ihre Kenntnisse über die Stadt Grenchen nicht dem neusten Stand entsprechen. Stadtpräsident Boris Banga bietet sich deshalb gerne an, Ihnen die westlichste und gleichzeitig zweitgrösste Gemeinde des Kantons Solothurn näher vorzustellen.“ Dieses Schreiben habe ich zu meiner Überraschung letzte Woche erhalten. Aber eigentlich müsste mich der Brief aus dem Westen des Kantons nicht erstaunen. Immer wieder machen die Grenchner Kantonsrätinnen und –räte im Kantonsparlament klar, dass man es äusserst genau mit dieser Stadt nehmen muss.

Was allenfalls erstaunt, ist die Tatsache, dass ich meine „Äusserungen“ beim lockeren Zusammensitzen im Restaurant gemacht habe. Ich weiss nicht, ob ich jetzt masslos übertreibe, aber es kommt mir vor wie ein Hauch von DDR. Da sitzt man beim Mittagessen und plaudert über dies und das, ohne zu ahnen, dass die Aussagen genau registriert und dem Apparat zugetragen werden.

Wie gesagt, vielleicht übertreibe ich nun, aber eine Charmeoffensive sind solche Einladungen nicht wirklich. Irgendwie riecht das auch ein wenig nach verletzten Gefühlen und Beleidigtsein.

Liebe Grenchner, was müssen wir Oltnerinnen und Oltner alles an Schmähungen einstecken. Von Solothurn (hoppla, Grenchen nicht vergessen!) bis Romanshorn und Genf – alle trampeln sie auf uns herum, falls sie überhaupt wissen, dass es uns gibt. Provinzielles Nebelloch gehört noch zu den harmloseren Komplimenten, die wir erhalten. Als unsere Kinder auf der Kasperli-Platte hören mussten „Was ist denn weiter weg als Amerika? Etwa Olten?“ - gab es uns noch einen Stich ins Herz. Vom frechen Kasperli bis zur alten Tante NZZ  - alle haben sie nur Spott für uns übrig, wenn sie überhaupt etwas für uns übrig haben.

Aber wisst ihr was, liebe Grenchner und Grenchnerinnen? Wir strafen sie inzwischen alle mit Verachtung. Dass die Zürcher, Berner, Basler und der Rest der Schweiz noch nicht gemerkt haben, dass Olten viel Wohn- und Lebensqualität bietet, ist eigentlich nicht so schlimm. Sollen die Zürcher die Liegenschaftspreise im Aargau in die Höhe treiben. Wir kennen unsere Vorzüge und Schwächen.

Grenchen hat ja, wenn ich mir das überlege, auch eine ganze Reihe von Vorzügen. Hochwertige Arbeitsplätze, Brücke zur Romandie, Flugplatz und selbstverständlich noch vieles mehr. Wenn ihr uns das alles gerne näher bringen wollt, ist das durchaus verständlich. Aber vielleicht solltet ihr dabei, liebe Grenchner, einfach etwas mehr welschen Charme an den Tag legen.

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