Ohne Worte

"Wir könnten es doch so schön haben miteinander", ist ein viel gehörter Seufzer. Aber eben, immer sind da diese unliebsamen Diskussionen. Ein erschütterndes Beispiel findet sich in einem kürzlich publizierten Stadtratsbeschluss. Es kommt immer wieder vor, dass Menschen vor der Türe der Einwohnerkontrolle in Olten warten, bis sie mit ihrem Anliegen an der Reihe sind. Ein grünes Licht sagt ihnen, wann der nächste eintreten darf. "Die ersten drei wartenden Personen wissen in der Regel, wer als nächster reingehen kann", ist im Beschluss zu erfahren. Aber ab der vierten Person wird es dann schon schwierig. Unschöne Diskussionen vor der Türe der Einwohnerkontrolle sind die Folge. Insbesondere "ältere Personen und Ausländerinnen bzw. Ausländer" seien mit dem aktuellen Wartesystem oftmals überfordert, schreibt der Stadtrat. Aber es hört ja bei vier Personen nicht auf. Es gibt beispielsweise ganze Familien, die vor der Türe auf jemanden warten, der/die bereits drinnen ist. Oder - noch schlimmer - Leute, die sich dort bloss ausruhen möchten! Ein legitimes menschliches Bedürfnis, aber leider am falschen Ort zur falschen Zeit. Man stelle sich vor, wie viel Gespräch und Interaktion nötig ist, um hier klare Verhältnisse zu schaffen.

Immer diese Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten, wo wir doch einfach zügig erledigen möchten, was ansteht (hier im wortwörtlichen Sinne).
Die Lösung ist, wie könnte es anders sein, wenn uns das Menschliche in die Quere kommt, in der Technik zu finden.
„Mit einem Ticketsystem, wie wir es von den Poststellen her kennen, können die Probleme der Kunden-Reihenfolge und des Schalterschlusses einfach gelöst werden“, heisst es im Beschluss schon fast jubilierend. Sie kennen das: Knopf drücken, ein Kästchen spuckt eine Nummer aus und jede und jeder weiss unmissverständlich Bescheid. Ohne Worte, ohne menschliche Interaktion. Und das Beste daran: das Kästchen kann so programmiert werden, dass es nach Schalterschluss keine Tickets mehr ausgibt! Bisher war es nämlich so, dass, wer vor Schalterschluss im Wartebereich eintraf auch Recht auf Einlass hatte, auch wenn das für das Personal unter Umständen Präsenzzeit bis weit nach Schalterschluss bedeutete. Doch wer konnte schon zweifelsfrei belegen, dass er oder sie vor Schalterschluss eingetroffen war?

Noch ein paar Zahlen zu dieser raffinierten Problemlösung:
Totalkosten Produkt inkl. Strominstallation (einmalig) CHF 12'196.25
Software- und Support-Vertrag mtl. (wiederkehrend) CHF 45.00
Stückpreis pro Ticket (laufende Materialkosten) Rp. 1.29

Eine Frage aber bleibt: Was ist mit den Leuten, die sich nur zum Ausruhen vor die Türe setzen? Das ist ganz einfach. Sie beziehen ja keine Nummer und sind somit nicht im Prozess integriert. Leute ohne Nummer brauchen nicht weiter beachtet werden. Es sei denn, sie bleiben sitzen bis das Stadthaus seine Türen schliesst. In diesem Fall müsste irgendjemand sie auffordern, das Gebäude zu verlassen. Aber daraus könnte sich eine unangenehme Diskussion entwickeln. Ich bin sicher, dass bereits eine findige Firma das Problem erkannt hat und an der Entwicklung eines Gerätes arbeitet, dass Menschen ohne Nummern ohne Worte rausschmeisst.

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