Weiss ist das neue Orange!
Das muss so anfangs der 1970er-Jahre gewesen sein, als die Farbe Orange mir die Welt bedeutete. Nicht nur Bettanzug, Vorhänge und der Teppich in meinem Zimmer waren orange, auch die Schlaghose mit dem aufgenähten, selbstverständlich orangen Lederimitat und das bauchfreie, angeblich nierenschädigende T-Shirt, das ich in meiner Primarschulzeit stolz getragen hatte. Damals gab es, zumindest in meiner Erinnerung, noch richtige Winter mit riesigen Schneehütten vor den Häusern und endlosen Schlitteltagen am Fusse des Engelbergs. Aber das höchste der Wintergefühle war das Skifahren im Gsahl, wo der berüchtigte „Händschefrässer“-Skilift sein Unwesen trieb. Selbstverständlich trug ich dabei einen orangen Skianzug. Allerdings nur bis zu jenem unglückseligen Tag, als ich präzise hinter dem Auspuff stand, als mein Vater den Motor unseres Autos startete. Was für ein Debakel! Mein Skianzug war mit unansehnlichen schwarzen Flecken übersät! Dieser Vorfall setzte einen abrupten Schlusspunkt unter meine orange Modephase. Seltsamerweise kann ich mich für die Jahre danach kaum mehr an strenge Winter erinnern, und das Skifahren im Gsahl war ein Ding der Vergangenheit.
Um durchschnittlich 1,8 Grad sei die Temperatur in den letzten 150 Jahren in der Region Olten gestiegen, wusste der inzwischen 100-jährige Oltner Wetterbeobachter Karl Frey kürzlich zu berichten. Eine beunruhigende Entwicklung, die uns zurecht Sorge bereitet.
Dieses Jahr aber, obwohl wir es nicht zu wünschen wagten, ist er plötzlich wieder da. Wie oftmals an einem Sonntag, nehme ich meine Walkingstöcke und ziehe los, Richtung Engelberg. Die Stadt scheint verzaubert, der Wald eine weisse Märchenwelt. Beim Mühletäli dann unvermittelt freie Sicht auf den Hügel mit jauchzenden schlittelnden Kinder.
Der ganze Hang voller farbiger Punkte. Rasante Fahrt hinunter, dann sofort wieder hochkraxeln. Unten stehen die Eltern in Reih und Glied und schauen dem Treiben ihrer Kinder zu. So viele Kinder, so viele junge Eltern! Eine Gruppe junger Männer, die neben mir steht, ist vom Schauspiel ebenfalls fasziniert und zückt kollektiv Handys. Irgendwie beglückt gehe ich weiter und denke: Diese Stadt ist kein trister Ort. Sie ist bunt und hat eine Zukunft. Hoffen wir, dass auch das „offizielle“ Olten, das so oft zum Schwarzmalen und zur Lustlosigkeit neigt, sich anstecken lässt und an die Zukunft der schlittelnden Kinder von heute denkt.
Übrigens: Gsahl meldet „Pulver, gut“.